Die Kuhflüsterin von den Juraweiden
Genuss vom Wittumshof in Gersdorf

Landg´macht - Regionale Produkte aus Altmühlfranken
Der Ochse wird ungeduldig. Er stupst Christiane Müller an. Einmal, zweimal, dreimal drückt das mächtige Tier seinen Kopf sanft, aber bestimmt in die Seite der jungen Frau. Die Botschaft ist klar: Sie soll doch bitte endlich weitermachen mit der Fellpflege. Die Bäuerin vom Wittumshof muss lachen und tut dem Tier den Gefallen. Sie fährt mit dem Striegel wieder rhythmisch über die Flanke des Tieres und klopft ihm beruhigend auf die Seite. Könnte ein 400 Kilogramm schwerer Ochse vor Glück schnurren, er würde es jetzt tun.
Christiane Müller ist im Stall des Wittumshofs und hier sehr offensichtlich in ihrem Element. Ganz selbstverständlich steht sie zwischen den mächtigen Ochsen und Färsen, die gerade damit beschäftigt sind, die Aufmerksamkeit der blonden Bäuerin zu bekommen. „Ich bin schon als Kind die ganze Zeit mit dem Striegel rumgelaufen und habe Kuhbücher geführt, in die ich die Namen und die Kennnummer eingetragen haben“, erzählt sie. Es blieb nicht bei Kinderspielen, sie hat das Handwerk von der Pike auf gelernt. Die landwirtschaftliche Meisterschule schloss sie 2019 mit 1,2 ab – das beste Ergebnis in ganz Mittelfranken.

Kein Platz, an dem sie lieber wäre
Man hat den Eindruck, es gibt keinen Platz, an dem die 28-Jährige lieber ihrer Arbeit nachgehen würde, als auf dem Hof, der ein paar Meter über dem Nennslinger Ortsteil Gersdorf auf einem kleinen Plateau am Hang liegt. Gerade wirft sie den Kopf ein wenig in den Nacken und lacht. Ein Geräusch, das man an diesem sonnigen Januartag noch öfter hören wird. Gemeinsam mit ihren Eltern ist sie für rund 150 Rinder verantwortlich. Die eine Hälfte Milchproduktion, die andere Nachzucht und Mast für die Direktvermarktung, um die Christiane Müller das Familiengeschäft erweitert hat. Und zwar aus einem ganz bestimmten Grund.
„Es gibt einfach nicht nur Bilderbuchkälber“, sagt sie während sie eine Traubenzucker-Lösung in einen Eimer füllt, den ein Kalb gleich voller Begeisterung leer saufen wird. „Die Kälber, die lange nicht zunehmen, die vielleicht nicht so stark sind, die brauchen die meiste Zuwendung, die meiste Zeit“, erklärt Müller. Betriebswirtschaftlich ist es eine nicht so gute Idee, diese Zeit zu investieren, emotional geht es für die Gersdorferin gar nicht anders.

Gutes Geld für gute Haltung
„Ich liebe alle meine Tiere hier, deswegen ist es gar keine Frage, dass ich mich auch um die kümmer‘, die ein bisschen länger brauchen“, stellt sie fest. Wirtschaftlich ausgehen muss sich das aber trotzdem, immerhin ist Landwirtschaft ja nicht nur ihr Hobby, sondern ihr Beruf. Die Direktvermarktung gibt ihr die Chance dazu. Weil es hier keine Zwischenhändler gibt und die Kunden bereit sind, für gute Haltung gutes Geld zu bezahlen, bleibt mehr Verdienst beim Landwirt, der dadurch mehr Zeit in die Tiere investieren kann.
„Das ist wirklich mein Traum, dass man da einen Bauernhof in einer humanen Größe hat, wo man die Tiere noch mit Namen kennt und ihnen gerecht werden kann“, so die 28-Jährige. „Vielleicht noch Freilandschweine, einen Erlebnisbauernhof …“ Ideen für die Zukunft des Wittumshofs hat sie viele, was sie vor rund zweieinhalb Jahren mit ihrer Direktvermarktung begonnen hat, ist der Anfang und nicht das Ende eines Weges.
Jedes Jahr zieht sie mehr Kälber für die Eigenvermarktung auf, als für den Viehmarkt in Ansbach. Gehalten werden sie im Winter im Stall und im Sommer auf der direkt benachbarten Weide. „Das ist das Schönste, wenn die Tiere da draußen sind“, freut sich Christiane Müller. Auf den Jurawiesen wächst genug, um die Weiderinder zu versorgen, die sich im Schatten der Obstbäume ausruhen und immer mal wieder von den Früchten naschen. Zusätzliche Flächen für eine mögliche Ausweitung hat sie sich bereits gesichert.

Ein bis zwei Sommer auf der Weide
Extensivmast nennt sich das Konzept. Mindestens ein knappes Jahr länger als in der Intensivmast leben die Tiere hier. Wenn es nach 30 Monaten und ein, bis zwei Sommern auf der Weide zum Metzger geht, dann ist das auch für Christiane Müller ein schwieriger Tag, der fast nie ohne Tränen über die Bühne geht. „Wenn ich irgendwann nichts mehr fühle, dann mache ich was falsch“, ist sie überzeugt. Die Tiere persönlich auf dem Weg zum Schlachten zu begleiten, ist für sie eine Selbstverständlichkeit.
Es ist der ewige Zwiespalt des Landwirts. Auf der einen Seite hat er eine enge Beziehung zu seinen Tieren, weil er sich täglich um sie kümmert, sie häufiger sieht als die meisten menschlichen Freunde. Auf der anderen Seite sind die Tiere auf einem Hof auch ein Wirtschaftsgut. Ohne ihren wirtschaftlichen Wert gäbe es die meisten Kühe gar nicht. Müller: „Ich bin der festen Überzeugung, dass sie hier bei mir ein gutes und erfülltes Leben haben.“ Nur unter dieser Voraussetzung macht die Landwirtschaft für sie Sinn.

„Die Tiere müssen von selber kommen“
Womit man wieder beim Striegeln der Tiere wäre. „Das mache ich täglich, mal länger, mal kürzer, aber es ist wichtig, dass ich da jeden Tag drin bin, dass die Tiere eine Verbindung zu mir haben und dass sie von selber kommen.“ Sie habe es nie verstanden, wie man in einen Stall nur einfach reingehen kann, seine Arbeit machen und wieder rausgeht. Für sie ist Landwirtschaft eine Leidenschaft und der Umgang mit den Tieren eine der schönsten Seiten daran.
Auch andere junge Landwirtinnen und Landwirte gehen neue Wege hinein in die Direktvermarktung, um mehr Wertschöpfung und mehr Tierwohl auf den Hof zu bekommen. Eine davon ist etwa Magdalena Kaiser aus Pfraunfeld, die die Hofkaiserei gegründet hat, und die Milch des elterlichen Betriebs nun zu Käse verarbeitet. Christiane und Magdalena haben in der Grundschule schon gemeinsam die Schulbank gedrückt, jetzt haben sie wieder ein gemeinsames Ziel. Eine Landwirtschaft, die näher am Tier und am Menschen ist.

Kooperation mit der Hofkaiserei
Zu diesem Zweck arbeiten die beiden jungen Gründerinnen auch direkt zusammen. Sie verkaufen in ihren Hofläden nicht nur die Produkte der jeweils anderen, sondern haben zusammen sogar ein gemeinsames entwickelt. In den Käsekrainern vom Wittumshof steckt der Käse aus Pfraunfeld und das Fleisch der Tiere von Christiane Müller. Eine Kooperation, die zeigt, dass die Vernetzungen unter den Direktvermarktenden zunehmen und damit auch das Angebot für die Menschen, die sich in Altmühlfranken mit regionalen Lebensmitteln versorgen wollen und so einen Beitrag zu einer Landwirtschaft mit mehr Zeit und weniger Druck leisten wollen.
Das Ochsen und Färsenfleisch aus Gersdorf gibt es nun auch in immer mehr Läden der Umgebung zu kaufen, etwa bei „Die kleine Markthalle“ in Heideck. In Form von Wurstdosen, Salamis, Käsekrainern, Pfefferbeißern oder Schinken. Mit ein, zwei Wochen Abstand zu den Schlachtterminen werden nach der Fleischreife dann direkt ab Hof die Fleischpakete in fünf, zehn oder 15 Kilogramm Portionen verkauft. Darin enthalten sind Braten, Suppen- und Hackfleisch, Rouladen und Rumpsteaks. Denn, dass man das ganze Tier verwertet, gehört für Christiane Müller ebenfalls ganz selbstverständlich zu ihrem Verständnis einer nachhaltigen Nutzung der Tiere. So kann sogar das Fell bei Interesse erworben werden.
Eine von vielen Geschichten aus der lebendigen Szene der Direktvermarkter in Altmühlfranken. Weitere Geschichten sowie Informationen und mehr finden Sie unter „Landg‘macht. Regionale Produkte aus Altmühlfranken“.
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